Ist der Mindestlohn gerecht?Aus der Wirtschaft und von gutverdienenden Leuten hören wir immer wieder, wie schädlich der Mindestlohn ist und wie viele Arbeitsplätze er kosten wird. Stimmt das wirklich oder ist das durchschaubare Strategie?
Ich kann dieses Stöhnen und Meckern von Menschen, die sich keine Gedanken über ihre finanzielle Situation des nächsten Tages machen müssen, nicht mehr akzeptieren. Ein Mindestlohn von 12,00 € (diese Summe und die folgenden Zahlen wurden 2019 diskutiert) ist meiner Ansicht unbedingt bald und nicht erst in einigen Jahren erforderlich. Bei 38 Std. Wochenarbeitszeit verdient diese Person dann ca. 1,800,00 € Brutto, z.Zt. bei dem jetzigen Mindestlohn ca. 1.500,00 €, bedeutet je nach Steuerklasse netto etwa 1.150,00 € .
Der Mindestlohn wurde vor 4 Jahren nach langem Ringen der SPD mit den Koalitionspartnern der CDU/CSU mit 8,50 € eingeführt, er sollte sich mit den normalen Lohnentwicklungen dann später erhöhen. Ich finde diese Angleichung in 4 Jahren auf z.Zt. 9,19 € ist gegenüber den Lohn Erhöhungen der letzten Jahre nicht gerecht.
Die Forderung von unserem Bürgermeister Carsten Sieling den Mindestlohn für Bremens öffentliche Ausschreibungen auf 10,93 € sofort und später auf 12,00 € anzupassen, finde ich als dringend geboten.
Die Kaufkraft der arbeitenden Menschen im unteren Lohnbereich ist gegenüber 1990 um ca. 30 % gesunken. Davon sind vor allen Dingen Menschen betroffen, die in der Gastronomie, im Einzelhandel, d.h. generell im Dienstleistungsbereich tätig sind. Es sind nicht nur ungelernte Mitarbeiter, die in die Gruppe der Mindestlohnempfänger fallen, sondern auch viele mit abgeschlossener Ausbildung. Es reicht bei einer kleinen Miete, die aber leider nur noch die Ausnahme ist, zum Überleben.
In vielen Ländern, z.B. in den Niederlanden/Skandinavien, sind die Mindestlöhne wesentlich höher, da bricht die Wirtschaft auch nicht zusammen, die Arbeitslosenzahlen sind dort sogar niedriger.
Dürfen wir es in Deutschland zulassen, also in einem der reichsten Länder weltweit, dass fast 1/5 der Bevölkerung zwar ausreichend zum Überleben hat, aber an den vielen Dingen, die im Leben auch nötig und wichtig sind, nicht teilhaben zu können?
Wir sollten bei unserem Konsum wieder mehr daran denken, dass diejenigen, die eine Leistung für uns erbringen (Friseur, Verkäufer, Servicepersonal im Lokal usw.) auch das Recht haben, wieder eine ausreichende Vergütung für ihre Arbeit zu bekommen. Ich glaube, sie werden mir recht geben, dass der Mindestlohn von 12,00 € schon bald kommen müsste und richtig wäre.
Generell müssen wir uns aber dafür einsetzen, dass wieder mehr Leute nach Tarif ihre Arbeit entlohnt bekommen,
Hermann Lühning, 2019