Beim Geld hört die Freundschaft auf
Ein uralter Spruch, sicher, aber er scheint im Banken- und Sparkassenbereich auch heute noch zu gelten.
Zumindest kann dieser Eindruck aufkommen, legt man das Schreiben zugrunde, das die Kundinnen und Kunden der Commerzbank Ende August 2021 in ihren Pusdorfer Briefkästen fanden. Darin wird angekündigt: „Im Zuge unserer digitalen Neuausrichtung schließen wir (…) die Filiale Bremen-Woltmershausen, Woltmershauser Str. 223 zum den 18.10.2021“.
Man wird es wohl - zumindest zum Teil - akzeptieren müssen, auch Banken müssen sparen und rationeller arbeiten. Dass die Digitalisierung dabei EIN geeignetes Mittel sein kann, ist in aller Munde. zumal sich die Nutzungsgewohnheiten der Kunden teilweise in der Tat geändert haben. Doch wenn Digitalisierung aber als Grund unkritisch ohne die angemessene Reflexion und nur weil es derzeit gut klingt eingesetzt wird, um sie subtil oder sogar geschickt für die Überbringung schlechter Nachrichten zu nutzen, ist das auf alle Fälle nicht fair.
Leider gewinnt man genau diesen Eindruck, wenn man das Anschreiben an die Kundschaft etwas genauer liest. Denn die Konsequenzen, die sich für unseren Stadtteil daraus ergeben, sind alles andere als freundlich oder im Sinne von Fortschritt und Service. Schon der formulierte Anspruch: „Das persönliche Gespräch bildet also nach wie vor die Grundlage unserer Kundenbetreuung“ entfaltet sich in der Realität der konkreten Nutzung nicht als Motivationsschub. Schon die ersten Versuche, die niederschwellig angebotenen Alternativen zur Filial-Schließung zu nutzen, um sich unter der angegebenen Telefonnummer durch „… Bankberater*innen schnell und qualifiziert zu Finanz-Themen wie Konto, Geldanlage oder Finanzierung“ beraten zu lassen, entlarven die Maßnahmen eher als Einsparungsmaßnahme. Denn „schnell“ findet man sich erst einmal in einer nicht enden wollenden Warteschleife wieder. Die Zeit, die man dort verbringt, spricht für alles andere als für Fortschritt und Servicefreundlichkeit.
Man wird sich auch einmal die Frage stellen müssen, was z.B. der folgende Satz aus dem Anschreiben einer bisher mit dem Service der Commerzbank sehr zufriedenen Kundin im gehobenerem Alter (sagen wir z.B. zwischen 50 und 90 Jahren) ohne IT-Erfahrung sagt: „Zudem können Sie wie gewohnt online oder über unsere einfach zu bedienende App all Ihre täglichen Bankgeschäfte regeln. Einfach, sicher, zeit- und papiersparend.“ Auch der Hinweis, man könne sich über die möglichen Standorte der jetzt noch vorhandenen Filialen für eine persönlich Beratung vorher über eine „App mit QR-Code-Erkennung“ informieren, dürfte nicht unbedingt zielführend und schon gar nicht ein geeigneter Hinweis für alle Mitmenschen im Stadtteil sein.
Man ist ja durchaus geneigt, Verständnis für bestimmte Sachnotwendigkeiten aufzubringen, denn das Anschreiben der Commerzbank war wohl sicherlich nicht als Aufkündigung einer „Freundschaft“ bzw. der Beendigung geschäftlicher Beziehungen gedacht und auch nicht so formuliert. Aber die berühmte Digitalisierung unserer Zeit hinterlässt leider wohl auch an dieser Stelle ihre Rationalisierungsspuren, wenn auch nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern, so doch bei vor allem bei älteren Menschen oder denjenigen, die mit der Digitalisierung nichts am Hut haben. Und vor allem hat sie an dieser Stelle einen üblen Beigeschmack von Kundenmanipulation mittels modern klingender Technik, die von Haus aus und neutral betrachtet für die Lösung vieler Bereiche absolut sinnvoll ist oder sein kann.
Es wird viel über Ausgrenzung gesprochen, aber Ausgrenzung hat viele Facetten. Wenn der Blick bei Entwicklungen wie in diesem Text beschrieben nicht etwas mehr in die Breite ausgerichtet wird und nur auf einen bestimmten Nutzerkreis mit IT-Affinität abzielt, werden Menschen in unserer Gesellschaft schlichtweg auch auf diesem Wege ausgegrenzt. Denn was würde dagegen sprechen, zumindest eine Minimallösung für eine Banken-Präsenz im Stadtteil anzudenken. Kleinere Räumlichkeiten möglicherweise auch an anderer Stelle im Stadtteil mit Bank-Briefkasten für die Überweisungsformulare und auch Terminals für nicht Computer-Nutzer zu Hause würden schon ein anderes Bild ergeben. Geeignete Leerstände aus ehemaligen Geschäften gäbe es bestimmt diverse in Pusdorf.
Es gibt Vieles, was in der Realität des Alltags durch die Schließung der Filiale in Woltmershausen ein ganz klarer Rückschritt ist, wenn möglicherweise auch nicht für alle. Auch die Ankündigung und sicherlich nicht durch Freundlichkeit motivierte Verlegung der Sparkassen-Filiale aus der Woltmershauser Straße in das Tabakquartier, passt ins Bild. Sie wird vielleicht für die Bilanzen der Sparkasse von Vorteil sein, nicht aber für die „Bilanzen“ der Pusdorfer Bürgerinnen und Bürger. All diese Entwicklungen wird man daher - insbesondere unter Berücksichtigung statteilbezogener Sachverhalte - zumindest als Aufkündigung von Freundlichkeit werten dürfen. Wie heißt es doch noch in der Überschrift zum Anschreiben der Commerzbank: „Auch wenn Ihre Filiale schließt, Ihre Bank bleibt“, doch mit welchen Konsequenzen? Was bedeutet dann am Schluss noch der Satz: „Wir sind und bleiben die Bank an Ihrer Seite“, wer damit wohl gemeint ist?
Die Zitate stammen aus dem Anschreiben der Commerzbank-Bremen an die Kundinnen und Kunden in den Stadtteilen Bremen-Woltmershausen und Bremen-Rablinghausen.